Walter Böer (1914–2007): Ein Pionier der Astrologie

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Walter Böer (1914–2007): Ein Pionier der Astrologie

Rosenau 3

Länge: 04:47 min
Nicole Freyler

Das folgende Zitat aus dem Jahr 1975 stammt von dem Parapsychologen Hans Bender: „Astrologie ist die unbewiesene Lehre von einem Zusammenhang zwischen Zeichen am Himmel und dem Menschen, seinem Wesen und seinem Schicksal.“ Dies bedeutet, dass Astrologie zwar nicht wissenschaftlich nachgewiesen, als Lehre aber durchaus berechtigt oder zumindest diskussionswürdig sei. Sie sei ein „belief- System“ mit langer Tradition, dessen Wurzeln bis in die Antike zurückreichen. In ihrer heutigen Form wird die Astrologie von vielen Astronomen und anderen Wissenschaftlern als (mittelalterlicher) Aberglaube, Schwindel und Geschäftemacherei abgetan. In der Praxis erfreut sich die Astrologie jedoch durchgängig großer Beliebtheit. Dies bestätigte bereits eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus den Jahren 1950 bis 1952, die das anhaltend hohe Interesse an der Astrologie in der westdeutschen Bevölkerung während der Nachkriegszeit dokumentierte.

Wer sich mit der Freiburger Astrologieforschung auseinandersetzt, kommt neben Bender an einer weiteren Person nicht vorbei: Walter Böer (1914–2007). Böer war Hauptschullehrer für Sport und Biologie und zuletzt in Lahr im Schwarzwald tätig. Seine Verbindung nach Freiburg ging auf ein Forschungsprojekt des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) Mitte der 1950er-Jahre zurück, das seinerzeit durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wurde. Im Mittelpunkt des Projekts stand die „Untersuchung wissenschaftlich nicht anerkannter Deutungs- und Beratungspraktiken“. Dabei wurden unter anderem Astrologinnen und Astrologen sowie die Relevanz ihrer Gutachten untersucht. Walter Böer hatte großes Interesse an diesem Projekt und antwortete im Juli 1952 positiv auf die Anfrage des IGPP.

Von den insgesamt 178 teilnehmenden Astrologen und Astrologinnen in den sieben Testreihen des IGPP-Projekts konnte nur eine kleine Gruppe von neun Personen (darunter Böer) im „Fraktionierten Verifikationstest“ positive Ergebnisse erzielen. Unabhängig voneinander machten sie ähnliche und zutreffende Aussagen über Charaktereigenschaften von Versuchspersonen ausschließlich anhand deren Geburtsdaten und Geschlechts. Die Ergebnisse bestärkten Bender in der Annahme, dass ein Zusammenhang zwischen kosmischen und psychischen Faktoren zumindest geprüft werden müsse und dieser nicht von vornherein als Aberglaube abgetan werden dürfe. Die genaue Überprüfung der Befunde bedürfe jedoch viel Zeit und Anstrengungen.

Walter Böer erwies sich in den Versuchsreihen als einer der besten deutschen Astrologen. Als er seine Zusammenarbeit mit dem IGPP begann, war er noch Rektor in Weimar bei Kassel, zog jedoch Mitte der 1960er-Jahre mit seiner Frau nach Freiburg und lebte dort in der Rosenau 3. Böers Bindungen zum IGPP gestalteten sich im Zuge des DFG-Projekts immer enger. Er wurde gewissermaßen zum „Hausastrologen“ des Instituts, denn Bender forschte nicht nur über Astrologie, sondern er ließ sich von Böer auch astrologische Gutachten erstellen (etwa zu Forschungs- und Einstellungszwecken).

1964 trat Böer dem Deutschen Astrologen-Verband (DAV) bei. Zentrales Anliegen des Verbands war eine seriöse und vorurteilsfreie Erforschung und Ausübung der Astrologie. Für Böer wurde die Astrologie spätestens nach seiner Pensionierung 1976 zur Lebensaufgabe. Innerhalb des DAV leitete er die Freiburger Regionalgruppe; zudem war er von 1981 bis 1993 Vorsitzender der DAV-Prüfungskommission. Die Prüfung von Astrologinnen und Astrologen war ein probates Mittel zur Professionalisierung der astrologischen Arbeit. Das IGPP wurde im Zuge dessen zu einem wichtigen Ort für den DAV. Über zehn Jahre lang fanden die Treffen der Regionalgruppe sowie die deutschlandweiten Astrologenprüfungen in dessen Räumen statt. Walter Böers Engagement machten ihn zu einem der bedeutendsten deutschen Astrologen des 20. Jahrhunderts. Er publizierte zwar kaum, doch bildete er eine Vielzahl von Astrologinnen und Astrologen aus – vor allem darin liegt seine Bedeutung für die community. Dabei war die jahrzehntelange Verbindung zum IGPP und zu Bender wichtig. Zwar gehörte Böer nie zum festen Mitarbeiterstab, doch das Institut bot ihm Ressourcen für seine astrologische Arbeit und Raum für diese bis heute umstrittene Lehre und Praxis.

von Adrian Heidiri und Manuel Schaffart

Bender, Hans: Jahresbericht über das Forschungsvorhaben „Untersuchung wissenschaftlich nicht anerkannter Deutungs- und Beratungspraktiken“, Freiburg i. Brsg., 1953 [unveröffentlichtes Manuskript], in: IGPP-Archiv, Bestand E/20.

Bender, Hans: Verborgene Wirklichkeit. Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, hrsg. von Eberhard Bauer, Olten/Freiburg/Br. 1973.

Voltmer, Ulrike: Walter Böer. Ein Lebenswerk für die Anerkennung der Astrologie, in: Meridian 2 (2008), S. 26–27.