Der Hellseher Fred Marion und die Freiburger Ärzteschaft (1931)

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Der Hellseher Fred Marion und die Freiburger Ärzteschaft (1931)

ehem. Museumssaal, Kaiserstraße 61 (heute: Breuninger-Komplex)

Länge: 03:46 min
Reinhard Nürnberg

Fred Marion, mit bürgerlichem Namen Josef Kraus, war ein 1892 in Prag geborener Hellseher und Telepath, der auf den Bühnen europäischer Großstädte seine Fähigkeiten aufführte. Hellsehen, also die Wahrnehmung von Ereignissen, die keiner anderen Person bekannt sind, war Anfang der 1930er-Jahre – nicht zuletzt durch den berühmten Hellseher Erik Jan Hanussen (1889–1933) – ausgesprochen populär. Fred Marion bot daher neben öffentlichen Vorstellungen auch Sprechstunden in Hotels und Aufführungen vor geladenen Gästen an. In Freiburg hatte Fred Marion im Februar und März 1931 drei Auftritte im Museumssaal Ecke Kaiserund Münsterstraße (das Gebäude wurde 1944 zerstört), die in der Freiburger Zeitung angekündigt wurden und ein großer Publikumserfolg waren.

Prof. Adolf Albrecht Friedländer (Website der Klinik Hohe Mark)

Am Abend des 11. Februar 1931 besuchte auch der Freiburger Nervenarzt Dr. Eduard Aigner (1871–1945) die Vorstellung. Aigner war so fasziniert, dass er Fred Marion darum bat, sich für Untersuchungen durch Ärzte zur Verfügung zu stellen. Am folgenden Tag veröffentlichte Aigner, nebst einem Bericht über die Vorstellung, seine Untersuchungspläne in der Freiburger Zeitung.

Am Abend des 27. März versammelten sich auf Einladung Aigners nicht weniger als 160 interessierte Ärzte – Mitglieder des Freiburger Ärztevereins, Freiburger Zahnärzte und Mitglieder der heute noch aktiven Freiburger Medizinischen Gesellschaft. Unter ihnen war der renommierte Nervenarzt Prof. Adolf Albrecht Friedländer (1870–1949), ein scharfer Gegner okkulter Heilmethoden. Misstrauisch hatten die Ärzte im Vorfeld des Treffens diskutiert, ob Fred Marion erscheinen würde und falls ja, ob er die Untersuchung für persönliche Werbezwecke nutzen würde. Doch Fred Marion erschien und stellte sich den Ärzten „bedingungslos zur Verfügung“, wie Aigner in einem Brief schrieb.

Die Untersuchung umfasste sechs Versuche, die im Vorfeld von einer Kommission aus zehn Ärzten unter der Leitung von Friedländer bestimmt worden waren. So sollte Fred Marion beispielsweise anhand der Handschrift eines Anwesenden ein wichtiges Ereignis aus dessen Vergangenheit berichten. Neben diesen sechs Versuchen wurden weitere telepathische Tests durchgeführt, die allerdings Fred Marion selbst vorgeschlagen hatte. Hier wird ein generelles Problem deutlich, mit dem die Wissenschaft bei der Untersuchung von sogenannten Medien zu kämpfen hatte: Einerseits sollte eine klare Versuchsanordnung bestehen, um objektive Überprüfung zu gewährleisten. Andererseits war für die Medien eine positive Atmosphäre wichtig, um Phänomene zu erzeugen. Und dazu gehörte auch, dass sie mitentschieden, welche Versuche gemacht wurden. Dies schürte wiederum die Diskussion um Betrug und Täuschung. Am Ende des Abends kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass Fred Marion nicht über hellseherische Fähigkeiten verfügt. Man einigte sich zudem darauf, Stillschweigen über die Untersuchung zu wahren. Die Ergebnisse blieben unveröffentlicht.

Fred Marion (aus: Marion, Frederick: In My Mind’s Eye, London 1949)

In einem Gerichtsprozess gegen Fred Marion vor dem Dresdener Landgericht im April 1932 traten die beiden Freiburger Ärzte Friedländer und Aigner noch einmal gemeinsam auf. Als Gutachter der Staatsanwaltschaft bzw. der Verteidigung markierten sie abermals das Spannungsfeld innerhalb der Ärzteschaft zur Frage okkulter Phänomene.

Fred Marion selbst war nachweislich nur noch einmal (im April 1932) in Freiburg. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zog er nach England und trat dort weiterhin als Hellseher auf.

von Judith Ruscher

Aigner, Eduard: Ein ‚Hellseher’-Prozess. Fred Marion vor dem Dresdener Landgericht, in: Zeitschrift für Parapsychologie (1932), H. 5, S. 233–235.

Artikel: „Marion, Frederick”, in: Leslie Shepard (Hrsg): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Bd. 2, London 1991, S. 1028–1029.

Marion, Frederick: In My Mind’s Eye, London 1949.