Das "Mekka" der Beschäftigung mit dem Paranormalen: Das Institut für Grenzgebiete der Psychologie & Psychohygiene (IGPP)

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Das "Mekka" der Beschäftigung mit dem Paranormalen: Das Institut für Grenzgebiete der Psychologie & Psychohygiene (IGPP)

Wilhelmstraße 3a

Länge: 05:26 min
Reinhard Nürnberg

Seit 1950 gibt es in Freiburg das von Hans Bender (1907– 1991) gegründete Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V. (IGPP). Das Institut beschäftigt sich mit Parapsychologie und ist heute eines der größten seiner Art weltweit. Von 1950 bis 1996 befand sich das Institut oberhalb Freiburgs auf der Eichhalde.

Die Parapsychologie als wissenschaftliche Disziplin existiert seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie entstand aus dem Wissenschaftlichen Okkultismus (englisch: psychical research), der sich seit den Jahren um 1900 mit „okkulten“, akademisch nicht anerkannten Erscheinungen beschäftigte. Der Begriff wurde 1889 von dem späteren Berliner Philosophieprofessor Max Dessoir (1867–1947) geprägt und setzte sich seit den 1920er- Jahren durch. Nach Hans Bender bedeutet Parapsychologie die Beschäftigung mit Phänomenen, die neben/„para“ den uns vertrauten stehen und mit den „gewohnten Begriffen unseres Weltverständnisses“ nicht erfasst werden können. Trotz der Entwicklung der Parapsychologie aus dem Umfeld der Psychologie und Philosophie handelt es sich um eine interdisziplinäre Wissenschaft, die auch die Naturwissenschaften einbezieht.

Das IGPP wurde am 19. Juni 1950 auf der Eichhalde 12 in Freiburg- Herdern über den Dächern der Stadt eröffnet. Die dreieinhalbjährige Aufbauzeit war im zerstörten und an Wohnungsnot leidenden Freiburg der Nachkriegszeit mühsam und gelang nur durch das private Engagement und das weitgespannte Netzwerk des gebürtigen Freiburgers Bender. Der Psychologe und Mediziner verwirklichte sich damit nach akademischen Stationen in Bonn und an der Reichsuniversität Straßburg einen langjährigen Wunsch und institutionalisierte die Parapsychologie auch in Deutschland. Neben der Forschung und Dokumentation waren Beratung, Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit zentrale Aufgaben des Instituts. Dies hob Bender in seiner Eröffnungsrede 1950 explizit hervor, denn gerade in Krisenzeiten, wie dem Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit, gäbe es eine verstärkte Zuwendung der Menschen zu okkulten Praktiken, um mit Traumata, Trauer und tiefer Verunsicherung umzugehen. Die im Institutsnamen verankerte „Psychohygiene“ bezeichnet diese aufklärende Arbeit des IGPP, die bis heute Bestandteil der Institutsarbeit ist. Neben empirischen Untersuchungen mit medial begabten Persönlichkeiten wie dem holländischen Hellseher Gerard Croiset (1909–1980) oder der Schauspielerin Christine Mylius (1913–1982) sowie zu Spukfällen standen auch immer methodologische Fragen im Fokus: Wie können übersinnliche Phänomene betrugssicher und wiederholbar empirisch untersucht werden? Diskutiert wurden diese v. a. in der 1957 gegründeten Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie.

Das IGPP auf der Eichhalde (Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 065219c, Bild 1)

Jahrzehntelang hatte das IGPP mit knappen Finanzmitteln zu kämpfen; der Mitarbeiterstab umfasste nur wenige Personen. Dies änderte sich in den frühen 1990er-Jahren. Dank Stiftungsgeldern, die aus dem Vermögen der Eheleute Christian (1900– 1969) und Asta Holler (1904–1989) stammten, konnte sich das Institut personell erweitern und inhaltlich ausdifferenzieren. Die Vermittlung der Stiftungsgelder war noch einer Initiative Benders zu verdanken. Die neue finanzielle Situation machte den Ausbau des Instituts möglich, das 1996 in die universitätsnahe Wilhelmstraße 3a umzog. Heute ist das IGPP weltweit eine der größten Forschungsstätten auf dem Gebiet der Parapsychologie und beschäftigt etwa 20 Forschende, zu denen neben Psychologen auch Naturwissenschaftler sowie Sozial- und Kulturwissenschaftler zählen. Außerdem wurde ein Archivar eingestellt, um die umfangreichen Bestände des Instituts zu systematisieren, darunter die wertvollen Nachlässe der Biologin und Parapsychologin Fanny Moser (1872–1953) und des bekannten Münchner Arztes und Psychotherapeuten Albert Freiherr von Schrenck- Notzing (1862–1929). Direktor des IGPP ist seit 2001 Dieter Vaitl (*1940), von 1975 bis 2005 Professor für Klinische und Physiologische Psychologie an der Universität Gießen.

Das Tätigkeitsfeld des IGPP umfasst heute im Bereich Forschung sowohl kulturwissenschaftliche Studien als auch die Untersuchung veränderter Bewusstseinszustände, außergewöhnlicher Erfahrungen sowie psychophysischer Beziehungen. Darüber hinaus bietet das IGPP Informationen und Beratung für Menschen mit paranormalen Erfahrungen an. Archiv und Bibliothek enthalten einzigartige Sammlungen. Die öffentlich zugängliche Bibliothek umfasste im Mai 2014 etwa 63.000 Publikationen und ist damit die größte Spezialsammlung auf diesem Wissensgebiet in Europa. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte diese Bibliothek in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Freiburg bis 2014 als Sondersammelgebiet.

von Dominik Kaltenbrunn und Leonard Gildein

Bauer, Eberhard: Das Mekka der Grenzgebietsforschung in Deutschland. Das „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V.“ in Freiburg i. Br., in: Phantastisch! Neues aus anderen Welten 2 (2002), S. 60–61.

Bauer, Eberhard/Lucadou, Walter von: Parapsychologie in Freiburg. Versuch einer Bestandsaufnahme, in: Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie 29 (1987), S. 241–282.

Schellinger, Uwe: Das Archiv des „Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V.“ in Freiburg: Prämissen, Probleme und Perspektiven, in: Forum Qualitative Sozialforschung [online Journal] 1, 3 (2000).