Der Fotograf Leif Geiges (1915–1990) und der Spuk

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Der Fotograf Leif Geiges (1915–1990) und der Spuk

Talstraße 66 (Geiges-Turm)

Länge: 04:44 min
Denis Larisch

Leif Geiges war einer der bekanntesten Freiburger Fotografen. Sein Großvater, der Glaskünstler Fritz Geiges (1853– 1935), gestaltete mehrere Kirchenfenster in der Region und ließ 1889 den sogenannten Geiges-Turm als Atelier errichten. Leif Geiges studierte Fotografie, Film, Grafik und Kunstgeschichte an der Reimann- Schule in Berlin sowie Bildjournalistik in London. Bis 1939 arbeitete er für einen Stockholmer Verlag in England, Skandinavien und auf dem Balkan. Während des Zweiten Weltkriegs war er Fotograf in einer Propagandakompanie. Nach dem Krieg kehrte er nach Freiburg zurück und arbeitete als freiberuflicher Fotograf. Zu seinen bekanntesten Arbeiten gehören die beeindruckenden Bilder des zerstörten Freiburgs. Als Bildjournalist unternahm Geiges Reisen für namhafte Illustrierte in den fernen Osten, nach Nordafrika und in die USA. Zwischen 1959 und 1964 arbeitete er zudem als Werbefotograf.

Seit Ende der 1940er-Jahre arbeitete Geiges auch mit dem Freiburger Parapsychologen Hans Bender zusammen. Einer der Forschungsschwerpunkte Benders waren Spukfälle, jene bislang unerklärlichen Vorkommnisse, infolge derer sich Bilder an der Wand drehen, Möbel im Raum verrückt werden oder Gegenstände entgegen der normalen Flugbahn durch die Luft fliegen. Bender war zunehmend – sobald er Betrug ausschließen konnte – von der Echtheit dieser Phänomene überzeugt. Dabei machte er als Psychologe nicht Geister oder Dämonen verantwortlich, sondern sogenannte Spukauslöser, meist Kinder oder Jugendliche. Sie erzeugten, so Bender, unbewusst Poltergeistphänomene, indem sie verdrängte Probleme, oft familiäre Konflikte, nach außen projizierten. Welche physikalischen Erklärungen hierfür gelten, konnte Bender nicht herausfinden.

Ende der 1940er-Jahre untersuchte Bender in den oberbayrischen Dörfern Lauter und Vachendorf zwei Spukfälle, bei denen Gegenstände durch die Luft geflogen waren, ihre Stellung verändert hatten oder verschwunden waren. Im Rahmen einer Nachuntersuchung im Auftrag der dortigen Lokalzeitung wurde Bender von Leif Geiges begleitet, der die Fotos für den Bericht machte. Geiges fotografierte Bender im Gespräch mit den Familien und stellte zudem die berichteten Spukphänomene fotografisch nach: wie sich ein Suppenteller vor den Augen des Ehepaars selbst entleerte, wie Brötchen „wie Schwalben“ durch die Luft flogen oder wie sich ein schwerer Teppich selbst verdrehte. Als fotografische Rekonstruktionen dienten Geiges’ Fotos Bender als Dokumentationsmaterial und vor allem dazu, widersprüchliche Zeugenaussagen aufzudecken. Aufgrund der ungewöhnlichen Motive und der hervorragenden Qualität erlangten die Bilder in ihrer Intensität darüber hinaus einen künstlerischen Eigenwert und werden als solche bis heute rezipiert.

In späteren Jahren dokumentierte Geiges die Arbeit des von Bender geleiteten IGPP. Seine Bilder zeigen die Mitarbeiter beim Ablauf parapsychologischer Tests im Labor sowie beim Umgang mit modernen Apparaturen. Parapsychologie erscheint hier als moderne, technikbasierte Wissenschaft. Publiziert in Hans Benders populärem Band Unser sechster Sinn (1971), der in mehreren Auflagen erschien, prägten die Fotos von Leif Geiges das Bild der Parapsychologie wesentlich.

von Christina Nickweiler

Bender, Hans: Neue Entwicklungen in der Spukforschung, in: Ders.: Telepathie, Hellsehen und Psychokinese. Aufsätze zur Parapsychologie, München 1972, S. 40–67.

Fischer, Andreas: Die „fotografische Rekonstruktion“ von Spuk durch Hans Bender und Leif Geiges, in: Momente 2 (2005), S. 19–21.

Schmid, Adolf: Leif Geiges (9.9.1915–5.4.1990), in: Badische Heimat 71 (1991), S. 359–365.