Der Okkultist Karl Friedrich Eberle (1870–1956) und die "Indische Loge zur Wahrheit"
Der Okkultist Karl Friedrich Eberle (1870–1956) und die "Indische Loge zur Wahrheit"
Reischstraße 1
Nicole Freyler
Als sich der 1870 in Emmendingen geborene Karl Friedrich Eberle 1897 erstmals in Freiburg niederließ, ging er noch dem Handwerk eines Schneiders nach. Dann, acht Jahre und mehrere Umzüge innerhalb der Stadt später, so geht es aus dem Freiburger Adressbuch hervor, firmierte er als Magnetopath in der Günterstalstraße 45. Als Magnetopath gab er in dem 1907 erschienenen Werk Eine somnambule Krankengeschichte Einblick in sein Wirken und seine Behandlungsmethoden. Er berichtete darin von der erfolgreichen Behandlung eines – seiner Ansicht nach – von Geistern und Dämonen besessenen Mädchens aus dem Schwarzwald. Mit magnetischen Strichen, Elektroschocktherapie und Hypnose habe er sie heilen können.
In den Folgejahren unterbrach Eberle seinen Aufenthalt in Freiburg, zum Teil für längere Zeit, ehe er sich 1913 in der Reischstraße 1 im Freiburger Stadtteil Oberau als Magnetopath und Naturheilkundiger niederließ. 1924 gründete er überdies eine Zweigstelle der „Indischen Loge zur Wahrheit“ mit dem Untertitel „Bund zur Erforschung okkulter Fragen“. Die „Indische Loge zur Wahrheit“ hatte ihren Hauptsitz in Gelsenkirchen, wo der Okkultist Paul Loose bis zum Juli 1919 als Großmeister fungierte. Nach dessen Tod übernahm Eberle die Funktion als Großmeister über die Gesamtvereinigung, wobei er die Leitung der Loge nach Freiburg verlagerte. Die Loge präsentierte sich mit einem umfassenden Spektrum an Diensten und Fähigkeiten, versprach ebenso „Rat und Hilfe in allen Lebenslagen“ wie „Auskunft über alle Gebiete der Geheimwissenschaften“. In einem der Indischen Loge zugehörigen, aber eigenständig organisierten Telepathen-Zirkel, „Ring der Harmonie“ genannt, versuchte man sogar einen Apparat zur Verstärkung von Gedankenwellen zu entwickeln. Der, wie die Loge selbst, überregional organisierte „Ring der Harmonie“ war als Geheimbund deklariert und „kampfmagisch“ ausgerichtet. Hier versammelten sich telepathisch begabte Mitglieder, um etwa feindlich gesinnte Zirkel durch Gedankenkraft zu bekämpfen. Paul Loose verwies zudem auf die angebliche Fähigkeit des Rings, durch die Macht der Gedanken schwächere Menschen kontrollieren und das Schicksal der Welt beeinflussen zu können.
Im Jahr 1919 schloss die Indische Loge mit der „Deutschen Okkulten Gemeinschaft“ eine Bundesbrüderschaft. Das zentrale Periodikum der „Deutschen Okkulten Gemeinschaft“ Sphinx. Zeitschrift für praktischen Okkultismus verweist auf eine ausgeprägte antisemitische und völkische Weltanschauung, die sich in rassistischen Parolen und Artikeln niederschlug.
Karl Friedrich Eberles persönliche Verbindung zum braunen Gedankengut wird deutlich in seinem Entnazifizierungsfragebogen von 1945. Er trat am 1. März 1932 in die NSDAP ein und war Mitglied im NS-Kraftfahrkorps (seit 1938 als Truppführer). Zudem fungierte er nahezu während der gesamten NS-Zeit (1934–1944) als Block- und Zellenleiter. In diesem Zusammenhang gibt es Hinweise darauf, dass Eberle am 22. Oktober 1940 an der Deportation der Freiburger Juden aktiv beteiligt war.
Die „Indische Loge zur Wahrheit“ in der Reischstraße 1 wurde im Freiburger Adressbuch von 1933 zum letzten Mal erwähnt. Eberle wohnte dort allerdings noch bis 1944 – bis 1937 als Heilpraktiker und danach (bereits im Rentenalter) als Angestellter beim Freiburger Finanzamt.
von Patrick Diringer
Eberle, Helga: Feuerblumen in Arkansas? Historisch-biografischer Roman, Remscheid 2012.
Eberle, Karl Friedrich: Eine somnambule Krankengeschichte. Nebst kurzgefaßter Erklärung der Neurasthenie, Epilepsie und Hysterie, Leipzig 1907.
Loose, Paul: Die Macht der Suggestion. Anleitung zur Ausübung suggestiver Beeinflussung im Alltagsleben, 2. Aufl., Leipzig 1920.