Radium als Arzneimittel: Das Elektro-Therapeutische Institut (1930 bis 1934)

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Radium als Arzneimittel: Das Elektro-Therapeutische Institut (1930 bis 1934)

Friedrichring 1

Länge: 04:57 min
Reinhard Nürnberg

Bei Radium handelt es sich um ein 1898 von Marie Curie (1867–1934) entdecktes, radioaktives Element. Es wurde kurz nach seiner Entdeckung zunächst für heilförderlich gehalten und behielt diese Bewertung über 30 Jahre. Die schädigende Wirkung radioaktiver Strahlung war zunächst nur eine Vermutung. Die Annahme einer heilfördernden Wirkung basierte auf vermeintlichen Wunderheilungen von Hautkrankheiten durch natürliche radioaktive Strahlung in einigen Heilbädern (wie St. Joachimsthal in Böhmen). Der Beginn der Popularität von Radium lässt sich zwischen den ersten Wunderberichten von 1903 und einer Eröffnungswelle von Radiumbädern um 1906 verorten. Die Bäder wetteiferten dabei um den höchsten Radiumanteil.

Der populäre Glaube an die Heilkraft des Radiums wurde von der Wirtschaft aufgegriffen und eine breite Produktpalette zur Radiumkur offeriert: Kosmetika, radiumhaltige Getränke sowie Geräte zum Anreichern mit Radium für den Hausgebrauch, sogenannte „Emanatoren“, bildeten den Großteil des Angebots. Diese Produkte enthielten jedoch in den seltensten Fällen nennenswerte Radiummengen oder waren, wie etwa die Emanatoren, sogar wirkungslos. Neben Angeboten für den Alltagsgebrauch wurde auch in der Strahlentherapie mit Radium experimentiert. Besonders der Status von Radium als wissenschaftliches Novum machte es für vermeintlich professionelle Ärzte und windige Wunderheiler zum attraktiven Geschäftsmodell.

Erst in den frühen 1920er-Jahren tauchten kritische Beurteilungen auf. Der Grund für die späten Zweifel war, dass sich die negative Langzeitwirkung radioaktiver Strahlung erst nach und nach zeigte. Eine 1925 erschienene Studie des Pathologen Harrison Martland (1883–1954) wies schließlich den Zusammenhang von Krebs und Radium nach. In der breiten Öffentlichkeit wurde die schädigende Wirkung von Radium allerdings erst in den 1930er-Jahren wahrgenommen. Bis dahin wurde mit Heilsversprechungen ein reges Geschäft betrieben.

Der Trend zur Radiumbehandlung machte auch vor Freiburg nicht Halt. Seit Mitte der 1920er-Jahre versuchten einige Anbieter sich in der Stadt zu profilieren. Das Angebot, aus dem der Kunde wählen konnte, war vielfältig und nach Aussage der Vermarkter stets auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten ausgerichtet. Radium wurde in Form von Trinkkuren und als Bestandteil von Strahlenbehandlungen als Allheilmittel gegen völlig unterschiedliche Beschwerden und unspezifische Symptome angepriesen. Gleichwohl wurde die ungeklärte Wirkung von Radium teilweise auch in Freiburg kritisch gesehen. So trat der Naturheiler Curt W. Warlies aus Littenweiler in einer 1926 publizierten Broschüre als vehementer Gegner von Radiumund Röntgenbehandlungen auf.

Die Gründung des Elektro-Therapeutischen Instituts in Freiburg erfolgte 1930. Betreiber war der Dentist Wilhelm Schlatter. Er führte dem Freiburger Adressbuch zufolge eine Praxis in der Blasiusstraße 8 sowie das Elektro-Therapeutische Institut als Filialpraxis in der Friedrichstraße 1. Als leitender und behandelnder Arzt fungierte zunächst Medizinalrat Dr. med. Karl Alexander Ziebert, dem Dr. Conrad Haerle folgte.

Briefkopf des Elektro-Therapeutischen Instituts Freiburg (Stadtarchiv Freiburg, K2/19/14/8)

Das Elektro-Therapeutische Institut bot in erster Linie Heilstrahlenbehandlung an. In einem Werbeschreiben offerierte die Einrichtung Hochfrequenz-, Röntgen-, Radium- und Heliumstrahlenbehandlungen mithilfe spezieller Apparaturen. Außerdem zählten Diathermie, Höhensonne, Blaulicht und Elektro-Massage zum Angebot. Mit einem Inserat in der Freiburger Zeitung vom Juni 1932 bewarb das Institut außerdem Radium-Trinkkuren.

Diese angeblich modernen Behandlungsmethoden sollten gegen eine ganze Reihe von Leiden helfen, etwa gegen Gicht, Rheuma, Nervenleiden, Herzkrankheiten, Arterienverkalkung, Nierenleiden, Fettleibigkeit, nervöse Angespanntheit, Schwächezustände nach Operationen, Hautkrankheiten usw. Das Institut war also vor allem auf sogenannte Zivilisationskrankheiten ausgerichtet und versuchte, mit seinem Leistungsspektrum eine möglichst breite Kundenschicht anzusprechen. Schließlich betonte der Werbetext auch den geringen Preis (ohne dass die Behandlung Massenabfertigung sei). So habe etwa eine Hochfrequenz-Behandlung mittels der 1.000 RM teuren Maschine nur 1,50 RM gekostet. Individuelle Kombinationsbehandlungen waren bereits ab 3 RM möglich. Das Programm der Einrichtung beruhte auf der Kombination aus wissenschaftlichem Fortschritt und der Suche nach alternativen Heilmitteln in Zeiten starker Verunsicherung – auch im Bereich der Medizin.

von Felix Schlecht

Mildenberger, Florian G.: Zelemente und Wünschelruten. Esoterische Heilmittelanbieter und ihre Verfolger in Deutschland (ca. 1920–ca. 1965), in: Zeitschrift für Anomalistik 11 (2011), S. 151–165.

Rentetzi, Maria: Packaging Radium, Selling Science: Boxes, Bottles and Other Mundane Things in the World of Science, in: Annals of Science 68 (2011), H. 3, S. 375–399.