Astrologie im Kinosaal: Elsbeth Ebertin und der Film „In den Sternen steht es geschrieben“ (1925)

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Astrologie im Kinosaal: Elsbeth Ebertin und der Film „In den Sternen steht es geschrieben“ (1925)

Casino-Lichtspiele, Belfortstraße 3 (heute Humboldtstraße)

Länge: 04:23 min
Nicole Freyler

Im September 1920 eröffnete in Freiburg mit dem Casino ein imposanter Entertainment-Komplex. Im Inneren des Gebäudes zwischen Löwenstraße 8 und Belfortstraße 3, in dem sich ehemals die Gambrinushalle und das Colosseum befanden, konnte man nun neben einem Restaurant, einem Café, einer Weinstube und einer Bar auch die Casino-Lichtspiele besuchen. Das Kino in der Weimarer Republik war eine dynamische Industrie: Für die Arbeiterklasse stand das Kino in der Großstadt als Freizeitvergnügen neben Fußball, Kneipengängen und Rummelplätzen; für das Bildungsbürgertum trat das Kino neben Theater, Revue und Rundfunk. Das Kino bot neue Möglichkeiten der medialen Verbreitung; auch das Okkulte fand darin seinen Platz.

Filmanzeige für die Casino-Lichtspiele (Freiburger Zeitung vom 9. Juli 1925)

Elsbeth Ebertin, geboren am 14. Mai 1880 im schlesischen Görlitz, war eine der produktivsten Astrologinnen ihrer Zeit. Seit ihrer Jugend beschäftigte sie sich mit Philosophie und Literatur sowie mit Graphologie. Für verschiedene Zeitschriften erstellte sie auf der Grundlage von Schriftproben Charakterdeutungen und erarbeitete sich rasch einen überregionalen Ruf als hervorragende Graphologin. Noch während des Ersten Weltkrieges publizierte Ebertin mehrere Bücher und astrologische Broschüren. Für diese Zeit ist vor allem ihr prophetischer Almanach Ein Blick in die Zukunft bedeutsam. Er erschien, wie eine Vielzahl ihrer astrologischen Werke, im Verlag des Freiburger Verlagsbuchhändlers Friedrich Paul Lorenz, der sich in den 1920er-Jahren auf Lebensreform und astrologisch-okkulte Literatur spezialisiert hatte. Der Almanach erschien bis 1938 jährlich und verschaffte Elsbeth Ebertin große Popularität.

In den 1920er-Jahren erlebte die astrologische Wissenschaft ihre Hochphase. Infolge von Krieg und Nachkriegszeit stieg in der Bevölkerung das Interesse an alternativen Weltdeutungen und in der Weimarer Demokratie duldete man diesen weltanschaulichen Pluralismus. Das Resultat war ein außergewöhnlicher Astrologie-Boom. Infolge des immensen Angebots versuchten sich die einflussreichen Astrologen von den „einfachen“ Wahrsagern abzugrenzen und die eigene Arbeit als wissenschaftlich zu rechtfertigen. Denn Gaukelei war ein Vorwurf, mit dem stets alle Astrologen zu kämpfen hatten.

Auch Elsbeth Ebertin versuchte gegen den Schwindel der „Jahrmarktastrologie“ im Interesse der „wahren Wissenschaft der Sterne“ vorzugehen, wie sie 1917 in Wirkungen der Gestirneinflüsse schrieb. Sie verhandelte mit der Münchner Lichtspielkunst AG (EMELKA) und erarbeitete auf Grundlage ihres Romans Der Mars im Todeshause das Drehbuch für den Spielfilm In den Sternen steht es geschrieben. Der Film sollte dazu dienen, die, aus ihrer Sicht, wahre Astrologie als „Wissenschaft der Sterne“ von der „Hintertreppenastrologie“ profitgieriger Gaukler abzuheben. Der Film handelt von einem Gutsbesitzer, dem ein gewaltsames Ende durch ein Horoskop prophezeit wird; sein Schicksal erfüllt sich nach einer spannungsstarken und überraschend gewendeten Handlung.

Eintrittskarte (Bibliothek und Textarchiv des Deutschen Filminstituts – DIF e. V., Frankfurt am Main)

Ostern 1925 feierte der Film in den Kammerlichtspielen in München Premiere. Vor dem Film hielt Ebertin den Vortrag Ein Blick in die Zukunft, Kartenlegen, Hellsehen, Sterndeuten, um dem Publikum den Zugang zum Thema zu erleichtern. Aus zeitgenössischen Quellen wird deutlich, dass es ein großes Interesse an diesen Aufführungen gab. Nach Vorführungen in Berlin kam der Film auch nach Freiburg. Hier lief er samt Vorträgen in den Casino-Lichtspielen zwischen dem 10. und 13. Juli 1925. Auch in Freiburg war der Film sehr gut besucht, die Freiburger Zeitung sprach von einem großen Andrang auf die Vorstellungen und von Beifall für den Vortrag der Rednerin.

In der Presse wurde der Film gespalten rezipiert. Einige Filmzeitschriften sprachen von „dilettantische[m] Unsinn“ und von „Werbung für eine zeitferne Idee“, zumal ja mittlerweile „jede zweite Kaffeetante aus der Mulackstraße“ Horoskope erstelle. Andere Rezensenten würdigten den Mut der Produktionsfirma und der Autorin. Denn der Film mache es möglich, eine breite Öffentlichkeit für die Astrologie und deren unterschiedliche praktische Umsetzungen zu sensibilisieren.

Das Beispiel Elsbeth Ebertin und ihr Film zeigt, wie okkulte Phänomene und Themen Teil der Alltags- und Unterhaltungskultur wurden.

von Thorsten Mann

Ebertin, Elsbeth: Wirkungen der Gestirneinflüsse. Astrophysikalische Studien. Zur Einführung in die Wissenschaft der Sterne, Bd. 2, Leipzig 1917.

Ebertin, Elsbeth: Der Mars im Todeshause. Astrologischer Filmroman, Görlitz 1924.

Treitel, Corinna: A science for the soul. Occultism and the genesis of the German modern, Baltimore/ London 2004.