Die esoterische Buchhandlung "Labyrinth"

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Die esoterische Buchhandlung "Labyrinth"

Gartenstraße 8

Länge: 05:08 min
Denis Larisch

Die Buchhandlung „Labyrinth“ wurde 1971 von Klaus Esser gegründet und führte ausschließlich esoterische und okkulte Literatur. Die Idee, einen solchen Laden zu eröffnen, war Esser während seiner Reisen (etwa nach Afghanistan) gekommen, auf denen er auch sein Interesse für Spiritualität entdeckt hatte. Nachdem ihm auf einer Reise nach Amsterdam ein Buchladen für esoterische Literatur aufgefallen war, beschloss er, das Konzept in Deutschland auszuprobieren. Er eröffnete den Laden zunächst in München und zog mit ihm zehn Jahre später nach Freiburg. Bald kam Stammkundschaft und der Laden entwickelte sich so gut, dass er Anfang der 1990er-Jahre vom Schlossbergring in die Gartenstraße 8 in der Freiburger Innenstadt umziehen konnte. Die neuen Räumlichkeiten waren nicht nur zentral gelegen, sondern auch deutlich größer und boten die Möglichkeit zur Expansion: Neben Büchern gab es nun auch Energiesteine oder ätherische Öle. Ende 2000 überschrieb Esser den Laden seiner Frau, welche ihn noch bis 2002 unter dem Namen „Gaea“ führte. Dann musste die Buchhandlung aufgrund wirtschaftlicher Probleme schließen.

Das „Labyrinth“ war nicht nur ein Buchladen, sondern auch ein sozialer Treffpunkt. Hier konnte man sich austauschen und informieren, fand Gleichgesinnte und Informationen zu Veranstaltungen. Der Laden war zugleich Ausgangspunkt für ein Netzwerk, das Mitte der 1980er-Jahre seinen Niederschlag unter anderem in dem Heftchen Labyrinth-Info fand. Gedacht war das Heft als „transportables schwarzes Brett“, in dem spirituelle oder esoterische Dienstleistungen angeboten wurden. Das Magazin war kostenlos und lag in der Buchhandlung aus. Bei den Anbietern handelte es sich größtenteils um Vertreter der Psychoszene (ein anderer Begriff für die New-Age-Bewegung), deren Vertreter versuchten, selbstverantwortlich und mittels alternativer (Heil)methoden einen „Ausweg aus der postmodernen Sinnkrise durch die personale Transformation zu finden“, wie der Psychologe Wolfgang Fach schrieb.

Auch in anderen deutschen Städten entstanden zu dieser Zeit ähnliche Projekte und Netzwerke. „Labyrinth“ und Labyrinth- Info stehen somit stellvertretend für den rasanten Aufstieg des spirituellen Marktes in der Bundesrepublik. Dass diese Entwicklung in Freiburg bis in die 1990er-Jahre in einem stärkeren Umfang als andernorts stattfand, zeigt etwa der Vergleich mit Frankfurt am Main.

Das Labyrinth-Info war anfangs noch ein nebenher laufendes Projekt von Esser. Aufgrund der steigenden Nachfrage erhöhten sich jedoch bald Auflage und Verbreitung: 1991 konnte man das Heft schon an über 25 Orten im Freiburger Raum und sogar in Frankreich und der Schweiz finden. Die Auflage stieg weiter und es erfolgte eine weitere Professionalisierung. Den Inhalt bildeten weiterhin fast ausschließlich Werbeanzeigen (im Gegensatz etwa zur Esotera). 1995 inserierte bereits ein Drittel der spirituell-esoterischen Anbieter im Raum Freiburg im Labyrinth-Info. Dies verdeutlicht den Einfluss, den das Heft und damit die Buchhandlung in der Region hatten. Wer wahrgenommen werden wollte, war gut darin beraten, sich im Labyrinth-Info zu präsentieren. Den Höhepunkt seiner Verbreitung erlebte das Anzeigenheft um die Jahrtausendwende. Mittlerweile unter dem Namen Golden Labyrinth erreichte es eine Auflagenstärke von 10.000 Stück und war an über 70 Orten zu finden. Es erschien nun mit über 40 Seiten und in Farbe.

Cover des Labyrinth-Info. Der Spirituelle Kurs- und Veranstaltungskalender, September 1996 (IGPP-Archiv, Bestand 20/20)

Im Laufe der 1990er-Jahre gewannen Esoterik und alternative Heilmethoden auch in der breiten Bevölkerung an Akzeptanz. Infolgedessen entwickelte sich ein lukrativer, von kommerziellen Ideen bestimmter Markt. Nun nahmen auch große Buchhandlungen spirituell-esoterische Literatur in ihr Angebot auf (heute gibt es in nahezu jeder großen Buchhandlung eine entsprechende Abteilung). Die ungleiche Konkurrenz hatte einschneidende Folgen für kleine Spezialbuchhandlungen wie das „Labyrinth“. Zwar konnten sie aus ihrer Nische hervortreten, doch verloren sie damit ihr Alleinstellungsmerkmal. Das Labyrinth- Info hingegen war flexibler und konnte zunächst von dem wachsenden Interesse profitieren. Erst mit der zunehmenden Signifikanz des Internets als Werbeträger verlor auch das Magazin sein regionales Monopol.

von David Hildebrandt und Lukas Wilms

Fach, Wolfgang: Sinn, Selbstheil und Seelenheil im Angebot. Eine empirische Standortbestimmung der Psychoszene, in: Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie 42/43 (2000/2001), S. 168–195.

Welz, Gisela: Urbanität und Spiritualität: New Age als städtische Subkultur, in: Ina-Maria Greverus/Gisela Welz (Hrsg.): Spirituelle Wege und Orte. Untersuchungen zum New Age im urbanen Raum, Frankfurt am Main 1990, S. 9–29.